Die einfachste Definition von Glück geht so: frisch gebackenes Brot, gute Butter und eine Prise Meersalz. Und das erste selbst gebackene Brot aus dem Ofen zu holen – das ist pures Glück. Ich neige wirklich nicht zu kulinarischem Patriotismus, aber es gibt eine Sache, die ich nach spätestens einem Monat im Ausland schmerzlich vermisse: richtig gutes Sauerteigbrot. Dennoch hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich mich selbst an meinen ersten Sauerteigansatz gewagt habe. Kann ja nicht so schwer sein, dachte ich mir damals, ein bisschen Mehl mit Wasser vermischen, etwas warten und fertig ist der eigene Sauerteig.
Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht: Bei der ersten Recherche stellte ich schnell fest, dass das Backen mit Sauerteig ein ganz eigenes Universum ist, was auf den Laien leicht befremdlich wirken kann. Das Vokabular in einschlägigen Internetforen erinnert eher an Geburtsvorbereitungskurse als Brot backen. Wie man einen Sauerteigansatz am besten „gebäre“ heißt es etwa darin. Und als gewissenhafter Sauerteig-Aficionado gibt man seinem Ansatz natürlich einen Namen. Das helfe, ein Verantwortungsgefühl für die notwendige regelmäßige Pflege des Ansatzes zu entwickeln, heißt es. Brutus oder Claudine lässt man schließlich mit weniger ruhigem Gewissen in der hinteren Kühlschrankecke versauern (im wahrsten Sinne des Wortes) als ein namenloses Glas Teigbrei. Eine backbegeisterte Mutter von vier Jungen gab gar an, sie habe sich immer ein Mädchen gewünscht und deshalb einen weiblichen Namen für ihren Sauerteigsansatz gewählt. Außer Frage steht natürlich, dass wahre Sauerteigbäcker/innen ihren Teigansatz auch mit in den Urlaub nehmen, um ihn dort weiter zu pflegen. Mein eigener Ansatz ist übrigens bis heute namenlos (Namensvorschläge willkommen), aber ein Teigsitter für die nächste längere Reise ist schon organisiert.
Was ist Sauerteig überhaupt?
Eine Sauerteigkultur besteht aus Milchsäurebakterien und wilden Hefen, die natürlich in der Luft vorkommen, und verbessert nicht nur die Verdaulichkeit, sondern auch die Haltbarkeit von Backwaren. Hinzu kommt das unverwechselbare Aroma durch den typischen säuerlichen Geschmack. Die erfolgreiche Züchtung eines Sauerteigansatzes erfordert neben Geduld vor allem die richtige Temperatur und auch ein bisschen Glück, dass sich im Gärungsprozess die „richtigen“, also die Milchsäurebakterien gegen die Fäulnisbakterien durchsetzen. Auch wenn es wenig appetitlich klingt, lässt sich der Erfolg daher unter anderem am Geruch ablesen: angenehm säuerlich sollte er sein, in den ersten Tagen auch streng bis unangenehm, aber nicht faul. „Spontansauerteig“ wird ein solcher Teig im Fachjargon genannt. Für den ersten Ansatz gibt es zahlreiche Bezeichnungen von Anstellgut über Anstellsauer bis Starter oder Startkultur – ich nenne ihn schlicht „Sauerteigansatz“, der später zum eigentlichen Sauerteig weiterverarbeitet werden kann.
Was brauche ich, um meinen eigenen Sauerteig zu züchten?
Um einen eigenen Sauerteigansatz heranzuzüchten benötigt es nur zwei Zutaten: Wasser und Mehl. Außerdem einige wenige Werkzeuge: eine Küchenwaage, einen sauberen Glasbehälter mit Deckel (Weckgläser eignen sich sehr gut) und einen Teigschaber oder Löffel. Darüber hinaus benötigt der Ansatz vor allem eines: Zeit. Und zwar deutlich mehr als Hefe, mit der er oft ersetzt wird. Je öfter der Sauerteigansatz aufgefrischt wurde (und je länger er somit gestanden hat), desto milder wird er letztendlich im Geschmack.
Welche Mehlsorte eignet sich am besten?
Für einen Sauerteigstarter kann im Grunde genommen jedes beliebige Mehl (Roggen, Weizen, Dinkel, etc.) verwendet werden, am einfachsten zu händeln ist jedoch gerade beim ersten Versuch ein Roggen(vollkorn)mehl, da hier die Fermentation am besten zu beobachten ist. Am einfachsten ist es daher, zunächst einen Roggensauerteigansatz heranzuzüchten, der dann später ganz einfach auf andere Mehlsorten „umgezüchtet“ werden kann.
Meiner Erfahrung nach bietet es sich an, für das Züchten eines Sauerteiges ein Bio-Vollkornmehl zu verwenden, da es reicher an natürlichen, im Mehl vorkommenden Hefen ist, welche die Fermentation beschleunigen. Noch besser eignet sich frisch gemahlenes Mehl, aber da die wenigsten eine Getreidemühle zu Hause haben, ist Biovollkornmehl die beste Alternative. Wer ein weißes Mehl verwenden möchte, sollte zu einer hohen Typenzahl greifen (beispielsweise Roggenmehl Type 1150), da diese für einen höheren Mineralstoffgehalt steht und sich ebenfalls gut zur Sauerteigherstellung eignet.
Wie lange dauert es, bis mein Sauerteigansatz fertig ist?
Das unten angegebene Rezept umfasst einen Zyklus von 7 Tagen, nach denen der Sauerteigansatz in der Regel triebstark genug ist, um erstmals damit Brot zu backen. Je älter der Sauerteigansatz ist, d.h. je länger er gepflegt und desto öfter er aufgefrischt wird, desto triebstärker wird er und desto besser das Brot, das mit ihm gebacken wird. Manche Sauerteigkulturen sind bereits Hunderte von Jahren alt und werden über die Generationen hinweg immer weitervererbt.
Wie bewahre ich meinen fertigen Sauerteigansatz am besten auf?
Für die Lagerung empfehlen sich Glasgefäße mit Deckel, beispielsweise Weckgläser oder einfache Schraubgläser. In einem dicht verschlossenen Gefäß wird die Aktivität des Sauerteigs im Kühlschrank möglichst lange erhalten. Während des Auffrischens sollte der Deckel allerdings nur locker aufgelegt werden, denn sonst besteht Explosionsgefahr, weil die freigesetzten Gase nicht entweichen können und Gefahr laufen, das Glas zu sprengen.
Nun aber genug der Theorie und ran an den Sauerteig! So züchtest du deinen eigenen Sauerteigansatz in einer Woche:
Sauerteigansatz auf Roggenbasis
Kochutensilien
- 2 Weckgläser
- Küchenwaage
- Teigschaber
Zutaten
- Roggenvollkornmehl
- Wasser
Video
Anleitungen
Tag 1:
- 50g Roggenvollkornmehl und 50-60g lauwarmes Wasser in einem großen Weckglas miteinander vermischen, bis keine Mehlklümpchen mehr vorhanden sind.
- Das Ganze 24 Stunden an einem 25 bis 30 Grad warmen Ort stehen lassen – idealerweise im Backofen bei eingeschalteter Lampe oder an heißen Sommertagen einfach in der Küche.
- Den Deckel vom Glas nur locker auflegen (nicht luftdicht verschließen), sonst besteht durch die freigesetzten Gase Explosionsgefahr und das Glas wird gesprengt.
Am ersten Tag tut sich noch nicht viel, und es wird vermutlich keine große Veränderung im Teig sichtbar sein.
Tag 2:
- 50-60g lauwarmes Wasser und 50g Roggenvollkornmehl (in dieser Reihenfolge) in das zweite Glas geben und 50g der Mischung vom Vortrag darauf geben. Den Rest anderweitig verwenden oder entsorgen.
- Alles miteinander vermischen und wiederum bei 25 bis 30 Grad 24 Stunden stehen lassen.
- Das erste Glas ausspülen und für den nächsten Tag vorbereiten.
Manchmal kommt es schon am zweiten oder dritten Tag vor, dass der Ansatz sein Volumen zunächst stark vergrößert und danach wieder in sich zusammenfällt. Davon nicht verunsichern lassen – auch wenn sich noch gar nichts tun sollte. Die Teigaktivitäten regulieren sich, je öfter man den Ansatz auffrischt und gehen lässt. Nicht irritieren lassen, wenn der Teig anfangs eher unangenehm riecht, solange sich kein Schimmel gebildet hat, ist alles in Ordnung.
Tag 3:
- Die Prozedur von Tag 2 noch einmal wiederholen und den Ansatz nochmals 24 Stunden stehen lassen.
Tag 4:
- Am Morgen des vierten Tages wiederum 50-60g lauwarmes Wasser und 50g Roggenvollkornmehl (in dieser Reihenfolge) in das saubere Glas geben und 50g der Mischung vom Vortrag darauf geben. Den Rest anderweitig verwenden oder entsorgen.
- Alles miteinander vermischen und bei 25 bis 30 Grad stehen lassen.
- Dann am Abend (nach etwa 12 Stunden) das Ganze noch einmal wiederholen.
Der Ansatz sollte nun schon relativ aktiv und deutliche Luftblasen darin sichtbar sein, sodass er von nun an zweimal täglich in einem ungefähren 12-Stunden-Zyklus gefüttert werden sollte. Wichtig: Der Ansatz richtet sich natürlich nicht nach genauen Zeitangaben – er muss gefüttert werden, sobald alle Nährstoffe verbraucht sind. Das erkennt man daran, dass der Teig nach der Wachstumsphase wieder beginnt einzufallen. Idealerweise wird er mit frischem Mehl gefüttert, kurz bevor er beginnt einzufallen.
Tag 5 und 6:
- Das Prozedere von Tag 4 an den folgenden beiden Tagen wiederholen und den Ansatz etwa alle 12 Stunden auffrischen.
Tag 7:
- Der Sauerteigansatz sollte nun angenehm säuerlich riechen und triebstark genug sein, um damit zu backen. Woran erkennt man das? Der Teig verdoppelt sein Volumen nach dem Auffrischen innerhalb von 8 Stunden.
(Wer jetzt nicht vorhat, den Ansatz am siebten Tag direkt zu Brot zu verarbeiten, füttert ihn am Morgen wie gehabt und stellt ihn dann, wenn er sein Wachstumsmaximum erreicht, luftdicht verschlossen in den Kühlschrank. Dort kann er problemlos aufbewahrt werden, sollte aber mindestens alle 7 Tage wieder aufgefrischt werden.) Für einen möglichst aktiven, triebstarken Ansatz sollte der Teig am Backtag noch mindestens einmal wie an den Tagen zuvor aufgefrischt werden. Wenn er dann innerhalb von 8 Stunden sein Wachstumsmaximum erreicht, sich also verdoppelt hat, ist er bereit für den nächsten Schritt: das Brotbacken.
Dein Sauerteigansatz will nicht so wie du? Hier habe ich dir die häufigsten Fragen und Antworten zum Thema Sauerteig züchten zusammengefasst.